Pfarrkirche Lingenau

Neugestaltung 2010

 

Topographisches Konzept

Die Pfarrkirche Lingenau ist Johannes dem Täufer geweiht. Dieser kündet vom Wirken Jesu, erkennt ihn in der Menge, tauft Jesus am Jordan.  Im Kreuzweg findet das in den Evangelien berichtete Geschehen seinen dramatischen Höhepunkt.
In der Topographie der Kirche sind diese Schauplätze markiert und  stellen der mächtigen Halle Orte, ablesbare Spuren am Boden entgegen... die Taufe am Jordan, das sich Zurückziehen in die Wüste, schliesslich den Weg Jesu durch Jerusalem zum Ölberg und das Grab Jesu.

Im räumlichen Spannungsfeld zwischen dem Orten der Taufe, des Kreuzestodes kommt jener der Eucharistie im Zentrum zu liegen. Auf die Topographie der Kirche bezogen  vereint dieses Zentrum das Langhaus und die zweite Ebene im Chorraum. Beide Feierräume stehen so mit den liturgischen Orten in Beziehung und bleiben Teil des Ganzen.

Allgemeines

Die Pfarrkirche in Lingenau wurde Ende des 19. Jh. nach einem Brand in neoromanischem Stil neu aufgebaut. In den 1960er Jahren wurde das Kirchenschiff durch einen Anbau um eine Fensterachse verlängert. In diesem Anbau wurden auch zwei übereinander liegende Emporen eingebaut. Der in historischen Abbildungen dokumentierte reiche Schmuck der Kirche wurde damals zur Gänze entfernt. Anstelle des Hochaltares wurde ein breiter Volksalter auf einer überhöhten (über eine pyramidenförmig angelegte Stufenanlage erreichbaren) Plattform gestellt.


Projektbeschreibung

Um die Gemeinde näher um den Altar zu versammeln und der Feier der Liturgie mehr Entfaltungsmöglichkeit zu geben, wird der Altar aus dem Chorraum in den vorderen Bereich des Langhauses verlegt. Dort stehen in der Neugestaltung die Kirchenbänke seitlich des Altars parallel zur Achse des Langhauses.
 
Die mehrfach abgetreppte Anlage des Chorraums wird auf ein einheitliches Niveau (5 Stufen über dem Saalraum) rückgebaut, was etwa der Situation vor dem Umbau 1963 entspricht. Der Chorraum erhält keine fixe Ausstattung und Bestuhlung und erlaubt so die Nutzung für unterschiedliche kleine Feiern, Versammlungen und Andachten.
 
Im rückwärtigen Teil des Langhauses behalten die Bänke ihre derzeitige, auf den Chor bezogene Ausrichtung mit einem erschliessenden Mittelgang bei.
 
Die obere der beiden Emporen wird abgetragen und so auf der tieferen Empore Raum für eine dem Kirchenraum angemessenen Orgel geschaffen.

Im Eingangsbereich unter der Empore wird die an der südlichen Kirchenwand gelegene Treppe abgetragen, jene an der nördlichen Aussenwand gelegene durch  Zwischenwände in Verlängerung des Windfanges aus dem Kirchenraum weggeblendet. Der Raum unter der Treppe wird als Stauraum benutzt. Die zur Kirche liegenden Glastürenen werden im Zusammenhang mit dieser Zwischenwand  neu gestaltet. Die äusseren Portale mit den kupfergetriebenen Darstellungen bleiben erhalten
Im gesamten Kirchenraum werden die Oberflächen (Putze und Anstriche) in Stand gesetzt. Die vorgefundenen Rissbildungen werden verfestigt.

Die bestehende Sakristei wird durch den Ausspracheraum und den direkten Zugang zum Chorraum ersetzt. An diesem Seiteneingang werden auch der Sanitärraum (barrierefrei) mit WC und Putzgelegenheit, sowie die Hausanschlüsse (Fernwärme und Strom) untergebracht.
Die neue Sakristei wird als eingeschossiger, flach gedeckter Bau an der Nordseite des Langhauses an den Turm anschliessend errichtet.


Ausstattung:
Das baukünstlerische Konzept baut auf der topografischen Interpretation der liturgischen Orte auf und stellt diese zwischen markante raumprägende Setzungen, die auf wesentliche Geschehnisse der Evangelien verweisen, wie  z.B. Kreuzweg als Lichtplastik im Kirchenraum, Jordan mit Taufbrunnen, Ölberg mit echtem Olivenbaum. Die Hülle des Kirchenraumes tritt dagegen in den Hintergrund.


Boden:

Die Gestaltung des Bodens mit entsprechender Wahl von Natursteinen unterstützt die Wahrnehmung der künstlerischen Objekte (Kreuzweg, Jordan). Grundsätzlich wird  Stein aus der Region verwendet werden.
Kirchenraum und Nebenräume: Kalkstein aus dem Bregenzer Wald (mit geringem Quarzanteil),
Eingangsbereiche sandgestrahlt
Thema Jordan: Jordan mit Muschelkalk, seitlich sandgelber Sandstein aus dem Bärlocher Bruch für die Wüste und ebensolcher mit grünlicher Farbschattierung für das „fruchtbare Land“.

Kreuzweg: Sandstein aus dem Schwarzachtobel, bruchrauh mit Schriftzügen aus geschliffenen Streifen als Intarsien.


Liturgische Orte

Altar:
Naturstein in massiven Quadern. Ein zentraler Kern (wie Kalkstein wie die anderen liturgischen orte und der Kirchenboden) wird von 12 Steinen unterschiedlicher Art (alle aus der Region) umschlossen und so das Thema, der um den Tisch versammelten 12 Apostel dargestellt. Gebunden durch die Kreuzförmige Einlage aus Sandstein, hier Christus repräsentierend. Derselbe Sanstein wird auch in der Topographie des Kreuzweges verwendet.

Steine:
Muschelkalk
Quelltuff aus Lingenau
Sandstein aus dem Schwarzachtobel und dem Bärlocher Bruch in Rohrschach
Kalkstein aus dem Bregenzer Wald und dem Unterland (mit unterschiedlichen Quarzanteilen und Grautönungen)
Nagelfluh (Findlinge, Konglomerat aus dem Balderschwanger Tal)
Quarzit mit rötlicher Farbtönung, aus der Nähe der Roten Wand im Arlberggebiet
Bürser Marmor aus der Nähe von Bludenz (aufgelassener Steinbruch):
Ein Versatzstück aus dem alten Hochaltar: ermutlich Verona Rosso

Ambo:
Naturstein in massiven Quadern. In Referenz zum Altar stellen hier vier Steinarten die Evangelisten dar, wovon sich zwei bereits unter jenen der Apostel finden (für Johannes und Matthäus, Lukas und Markus kommen als 13. Und 14. dazu).

Für den Ambo wurden zusätzlich verwendet:
Jurakalk aus Süddeutschland

Tabernakel:
Naturstein aus massiven Quadern mit Schrein. Der Schrein ist ebenfalls in Kalkstein ausgeführt und sowohl langhausseitig wie chorseitig eine Ablagegelegenheit zugeordnet.

Taufbrunnen:
Taufbecken als Brunnen in Kalkstein. Der Brunnen fasst fliessendes Wasser zur Taufe oder zu besonderen Festen, das über eine Kaskade im Verlauf des „Jordans“ entleert werden kann. Das wasser wird in die Wurzelgrube des Olivenbaumes rückgeführt. Die Kaskade und der Überlauf aus dem taufbrunnen sind in Nagelfluh (Konglomerat aus Balderschwang) ausgeführt.

Kreuzweg:
Sandstein aus dem Schwarzachtobel in Rohrschach, bruchrau. Markierung am Boden mit Schriftstreifen zu den Stationsbezeichnungen aus dem gleichen Material, jedoch geschliffen.
Die Intervalle nehmen Bezug auf die Joche der Kirche und die liturgischen Orte.
In derselben Linie folgt ein abgehängter Tragrahmen für Licht und Medien, sowie als Grundgerüst für transparente textile Flächen (Seide mit Filzauflagen ). An der zwölften Station wird ein freistehendes Kreuz mit dem barocken Gekreuzigten errichtet.

 

Fotos
c  Robert Fessler
c  Beneder/Fischer

 

Generalplanung und Örtliche Bauaufsicht
Dipl.Ing. Ernst Beneder, Architekt
Dipl.Ing. Dr. Anja Fischer, Architektin
1010 Wien


Auftraggeberin
Römisch katholische Pfarrkirche zum Heiligen Johannes der Täufer
6951 Lingenau 
 

Planungs- und Bauzeit
Architektenwettbewerb        Oktober 2008
Baubeginn                           Februar 2010
Baufertigstellung                 November 2010

 

Gebäudedaten
Nettonutzfläche                              667,75 m2
Sitzplatzanzahl Kirchenraum:         396 PL.
Empore I (mobile Bestuhlung)        40 PL.
Chorraum (mobile Bestuhlung)       40 PL.
Sitzplätze Gesamt                           476 PL.