Orgel Martinskirche, Kassel

Gutachten 2014

 

Baukörper:

Alle Werke der Orgel sind in einem kompakten, von der Rückwand abgerückten und so nach allen Seiten freigestellten Baukörper auf einer Ebene angeordnet. Mit der Öffnung der Turmhalle ist die Klangabstrahlung nach allen Richtungen möglich und ist mit den zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten der beweglichen Gehäuseteile auf vielfältige Weise einsetzbar. Die einhüllenden Glasflächen geben dem Organismus des Instruments Transparenz und entsprechen in der Gegenüberstellung der klaren und volumetrisch grosszügigen Glas/Betontrennwand zur Chorkirche. Die Architektur der Kirche (Gewölbe, Portalbogen zur Turmhalle und Emporen) verbleibt unverstellt.

Das Fernwerk und das mobile Experimantalwerk folgen formal und funktional diesen Ansatz.

Hauptorgel:

In der Mittelachse sind Hauptwerk und Grosspedal angeordnet, jeweils seitlich die Schwellwerke, vor welchen einerseits das Positiv und andererseits das Kleinpedal zuliegen kommt. Das Kontrafagott wird aus der Tiefe gekröpft vor dem Kleinpedal nach oben geführt. Sämtliche Werke sind der Grundfigur eingeschrieben und so mit den vertikale Glaslamellen (Nurglas VSG/4 x 8 mm) vollständig oder partiell öffen - und verschliessbar. Die Überhöhe im Hauptwerk und Grosspedal wird durch einen Aufsatz über dem Hauptbaukörper umschlossen. Auch über diese Hülle ist auf einfache Weise die Klangabstrahlung beeinflussbar.

Tragwerk und Technik:

Die Orgel ist auf einer als Stahlfachwerk ausgebildeten Rahmenkonstruktion, die wiederum auf in Verlängerung der Turmwände sitzenden Winkelkonsolen aufgelagert ist. Die Turmbaukörper geben an dieser Stelle in jeder Richtung ausreichend Stabilität. Die bestehende Musikempore wird nicht belastet. Zusätzlich zur Technik im „Unterbau“ der Orgel besteht an der nordöstlichen Rückwand der Musikempore Raum in einem bis auf die Höhe des Stimmganges reichenden Sockelbauteiles, in welchem vom Spieltisch ausgehend die Trakturen nach oben geführt werden, ebenso ein interner Aufgang. Als begehbarer Schrank ist hier auch Raum zur Lagerung von Musikalien, Instrumenten, Gewändern oder der Bestuhlung gegeben.Kirchenmusik:

Chor und Orchester können auf einer Ebene mit dem Organisten kommunizieren. Die Hörbarkeit der Orgel ist für die Musiker über die allseitige Abstrahlung, insbesondere über die Einbeziehung der Turmhalle (gleichsam von rückwärts) gegeben.

Experimentelle Anordnungen:

Abstrahlungen können zentriert, fokussiert oder zentrifugal gerichtet werden. Im Zusammenspiel) mit den Fernwerk und dem Experimantalwerk ist damit der gesamte Raum einsetzbar. Experimentelle oder temporär eingesetzte Instrumente oder Klanginstallationen ergänzen die Orgel - konventionell auf der Empore oder im Kirchenraum - , jedoch auch in der Turmhalle, über welche die zusätzliche Klangeinträge über das Orgelgehäuse mit dem Spiel der Orgel vereint werden können.

Bei einer Öffenbarkeit des Westfensters über dem Hauptportal zum Landgraf Philipp Platz ist eine Abstrahlung in den Aussenraum vorstellbar und kann bei Openair-events mit einbezogen werden (Gehäuse zur Kirche geschlossen/geöffnet zur Turmhalle)

Konzeptionelle Kriterien:

Die Gestaltung der Klangabstrahlung über die Hülle wird als wesentlicher Teil des Instrumentes verstanden. Die Veränderung während des Spiels oder als statisch ruhige Einstellung teilt die Lebendigkeit des Instrumentes, das sich öffnet oder verschliesset, mit. Im einfallenden Licht der hohen Fenster sind situationsbezogene und so unwiederholbare Eindrücke zur erwarten.

Der Prospekt wird als allseitig expressive und mitteilsame Skulptur verstanden, die ihre Eigenständigkeit, ebenso wie ihre dienende Funktion behauptet.

 

 

Material:

Stahlfachwerk getöntes Glas / Glaslamellen